Mit Hilfe der Lieferantenbewertung werden einerseits die Leistungen der Lieferanten untereinander verglichen und andererseits wird die Entwicklung eines jeden Lieferanten aufgezeigt.

Eine Bewertung von Lieferanten lässt sich anhand verschiedener Kriterien durchführen.

Die Gewichtung der Kriterien ist sowohl von der Entscheidungssituation als auch von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich.
So kann z. B. der niedrigste Preis oder die beste Produktqualität der gelieferten Ware das wichtigste Kriterium zur Bewertung sein.

Je nach Unternehmen gibt es also unterschiedlich gewichtete Kriterien mit deren Hilfe eine Bewertung der Lieferanten durchgeführt werden kann. Wichtig ist, dass diese Kriterien aber nicht über einen großen Zeitraum konstant bleiben müssen, sondern vielmehr zeitabhängig variabel sein sollen.

Eine Grundvoraussetzung für die Lieferantenbewertung ist also eine flexible und variable Gewichtung von Kriterien, die die zeitlichen Gegebenheiten sowie die unterschiedlichen Unternehmensziele widerspiegeln.

Das Lieferantenbewertungsmodell

Die Beurteilung von Lieferanten findet über die Verdichtung von lieferantenartikelabhängigen Kennzahlen statt, d. h. ein Lieferant kann erst dann bewertet werden, wenn seine Artikel zuvor beurteilt worden sind.
Aus datentechnischer Sicht wird das 100-Punkte-Bewertungssystem gewählt. Bei diesem Modell wird jedes Kriterium durch eine Kennzahl repräsentiert, die sich zwischen 0,00 und 100,00 bewegen kann.
100,00 stellt die höchste Ausprägung einer Kennzahl dar. Die 100,00 wird nur dann vergeben, wenn im Vergleich zu anderen Lieferantenartikeln das bewertete Kriterium am besten abgeschlossen hat.
Die Zahl 0,00 wird dann vergeben, wenn das zu bewertende Kriterium dieses Lieferantenartikels gegenüber anderen am schlechtesten abgeschlossen hat.

Verwendete Kennzahlen

Folgende Kennzahlen werden bei der Lieferantenbewertung pro Lieferantenartikel abgeleitet:

Die gewichtete Kennzahl berücksichtigt die Kennzahlen 1 - 4.
Über Gewichtungsfaktoren wird gesteuert, zu wie viel Prozent jede Einzelkennzahl in die gewichtete Kennzahl einfließen soll.
Formel für die Errechnung der gewichteten Kennzahl:
Gewichtete Kennzahl =
Summe von( Kennzahl x1 * Gewichtungsfaktor x1)
x1= 1-4

Beispiel für die Ermittlung der gewichteten Kennzahl
Voraussetzungen:

Gewichtungsfaktor Preis

= 30,00 %

Gewichtungsfaktor Umsatz

= 20,00 %

Gewichtungsfaktor Qualität

= 15,00 %

Gewichtungsfaktor Liefservice

= 35,00 %


Bei dem Lieferantenbewertungslauf werden folgende Kennzahlen ermittelt:

Preiskennzahl

= 88,24

Umsatzkennzahl

= 75,31

Qualitätskennzahl

= 45,00

Lieferserviceknzl

= 93,99


Die gewichtete Kennzahl errechnet sich wie folgt:
Gewichtete Kennzahl = 88,24 * 30% + 75,31 * 20% + 45,00 * 15% + 93,99 * 35% = 81,18

Geschätzte Werte

Für Vorgänge zu denen es nur eine Bestellung aber noch keinen Wareneingang gibt werden für bestimmte Kennzahlen geschätzte Werte herangezogen, da die eigentlichen Kennzahlen nicht ermittelbar sind.
Die geschätzten Werte stehen für die QS-Kennzahl in der Vorlauftabelle VRLE25, für die restlichen Kennzahlen in der Vorlauftabelle VRLE30.

Kriterien bei der Lieferantenbewertung

Preis pro Lieferantenartikel

Der Preis für einen Artikel spielt bei der Ableitung der Beurteilungsgrundlagen für einen Lieferanten eine wichtige Rolle.
Es kann über Vorlauf gesteuert werden, auf welche Art und Weise ein Preis ermittelt werden soll.
Der Parameter 07 der VRLE30 steuert, ob der Preis für einen Lieferantenartikel über die Statistikdatei oder über die Preisfindung ermittelt werden soll. Nach dem Ableiten des Preises wird die Rabattfindung aufgerufen.
Falls der Preis über die Statistikdatei ermittelt werden soll, so wird dieser periodengenau über die Division der Bestellumsätze durch die Bestellmengen errechnet. Der gefundene Preis ist somit über den Zeitraum durchschnittlich geglättet.
Kommt die 2. Alternative zum Tragen, so wird der Preis über die standardmäßige Preisfindung ermittelt. Mengenstaffeln können hierbei nicht berücksichtigt werden, d. h. es wird ein Preis für die Menge 1 berechnet.
Bei der Ableitung des Preises über die Preisfindung wird der Bewertungszeitraum nicht berücksichtigt; der Preis wird immer zum Datum des Lieferantenbewertungsaufrufes ermittelt.
Im Anschluss an die Preisfindung bzw. Findung des Preises über die Statistikdatei wird die Rabattfindung aufgerufen, um hinterlegte Konditionen zu ermitteln. Auch hier gilt als Prüfdatum für die Gültigkeit der Kondition, das Aufrufdatum der Bewertung.
Nachdem der Preis ermittelt wurde (egal über welche Alternative) kann dieser mit der Lieferkondition und/oder Zahlungsbedingung, die auf Lieferantenebene hinterlegt sind, verrechnet werden. Hierzu müssen die Parameter 09 und 10 der VRLE30 auf "J" gesetzt sein.
Findet eine Verrechnung mit der Lieferkondition statt, so stellt der Parameter 04 der FRD105 den %-Satz zur Erhöhung oder Verringerung des ermittelten Preises dar.
Soll der Preis mit der Zahlungsbedingung verrechnet werden, so stellt der Parameter 14 der VRLE30 die durchschnittlichen Valutatage für die Berücksichtigung der Zahlungsbedingungen dar. Die Valutatage bestimmen also die durchschnittliche Anzahl Tage, die zur Ermittlung des frühesten Zahlungstermines benötigt werden.

Beispiel für die Ableitung der Preiskennzahl

Voraussetzungen:

Der Preis soll über die Preisfindung ermittelt werden.


Die auf Lieferantenebene hinterlegte Lieferkondition "FOB" "frei an Bord" (Erhöhungsfaktor: 3 %) soll mit dem ermittelten Preis verrechnet werden.


Die auf Lieferantenebene hinterlegte Zahlungsbedingung soll mit dem ermittelten Preis nicht verrechnet werden.

Die Preis und anschließende Rabattfindung ermittelt einen Nettopreis von 98,31 EURO (€)/ST. Nach der Verrechnung mit der Lieferkondition ergibt sich der Bewertungspreis von 101,26 EURO (€)/ST.
Ein anderer Lieferant kann den gleichen Artikel zu dem niedrigsten Preis von 93,21 EURO (€)/ST liefern. Dieser Lieferantenartikel bekommt als Preiskennzahl 100,00 gutgeschrieben.
Der oben ermittelte Preis führt zur Preiskennzahl von 92,05 Punkte ( 93,21 / 101,26 * 100 )

Umsatz pro Lieferantenartikel

Der Umsatz eines Lieferanten(artikels) spiegelt die Verbindung zu seinem Kunden wieder.
Über den Umsatz kann also eine Aussage darüber getroffen werden, ob die Beziehungen zu diesem Lieferanten stark oder eher schwach gewesen sind.
Auch bei der Ableitung des Umsatzes gibt es 2 Ermittlungsalternativen, die über den Parameter 11 der VRLE30 gesteuert werden können.

  1. Es besteht die Möglichkeit, den Umsatz über die Statistikdatei zu ermitteln. Hierbei wird der Bewertungszeitraum zur Errechnung des Bestellumsatzes periodengenau berücksichtigt.
  2. Der Umsatz kann auch über den Lieferantenartikelstamm ermittelt werden. Hier kann maximal ein Bewertungszeitraum von 2 Jahren berücksichtigt werden und zwar das laufende Jahr und das Vorjahr.

Beispiel: Zeitraum:01.01.11 - 01.05.14 zum 31.05.14
Es wird nur der Zeitraum vom 01.01.13 - 01.05.14 berücksichtigt.
Bei dieser Art der Ableitung kann als tatsächlich erzielter Umsatz maximal das Vorjahr und das laufende Jahr ausgewertet werden. Damit die Lieferantenartikel unabhängig vom Anlagedatum des Lieferantenstammsatzes verglichen werden können, bedarf es einer Hochrechnung auf einen bestimmten Stichtag. Als Stichtag kommt entweder der 01.01 des Vorjahres oder des laufenden Jahres in Frage. Der 01.01. des Vorjahres wird dann als Stichtag verwendet, wenn bei dem Lieferantenbewertungslauf der Bewertungszeitraum das Vorjahr tangiert. Durch die Hochrechnung des Umsatzes wird erreicht, dass die Lieferantenartikel unabhängig von dem Lieferantenanlagedatum verglichen werden können.
Nachfolgend ist die Formel für die Hochrechnung dargestellt:
Wird lediglich mit dem Umsatz aus dem laufenden Jahr gearbeitet, erfolgt unter Berücksichtigung des Lieferantenstammanlage-Datums eine Gewichtung nach folgender Formel:


Wird mit dem Umsatz aus dem Vorjahr gearbeitet und laufendes Jahr minus 1 entspricht dem Jahr der Neuanlage, so gilt:


Wird mit dem Umsatz aus dem Vorjahr und laufendem Jahr gearbeitet und liegt das Datum "Neuanlage" im laufenden Jahr, so gilt für das Vorjahr:
Hochgerechneter Umsatz = Umsatz Vorjahr + tatsächlich ermittelter Umsatz



Beispiel für die Ableitung der Umsatzkennzahl

Voraussetzung:

es soll das laufende und das Vorjahr bei der Ableitung des Umsatzes berücksichtigt werden.


das Lieferantenstammanlagedatum ist der 10.03. des laufenden Jahres.


das Lieferantenbewertungsaufrufdatum ist der 05.05.


die Ableitung soll über die Lieferantenartikelstammdatei erfolgen.

Als tatsächlich ermittelter Umsatz für den Lieferantenartikel wird ein Umsatz von 1000,00 EURO (€) festgestellt.
Es wird die 3. Formel verwendet:
Hochgerechneter Umsatz = 1000,00 + ( 1000 / ( 6 - 3 ) * 12 ) = 5000,00 EURO (€).

Qualität der Warenlieferungen

Jede Warenlieferung wird mit einer Qualitätskennzahl versehen, auf die beim Bewertungslauf zugegriffen werden kann.
Nicht QS-pflichtige Warenlieferungen erhalten eine Qualitätskennzahl, die dem Parameter 08 der VRLE25 entnommen werden kann. Da man davon ausgeht, dass nicht QS-pflichtige Warenlieferungen im Durchschnitt eine gute Qualität aufweisen, so sollte in dem Parameter 08 der VRLE25 eine Kennzahl hinterlegt werden, die diese Warenlieferungen als gut kennzeichnet (ca. 70,00 Punkte).
QS-pflichtige Warenlieferungen erhalten eine QS-Kennzahl, die sich über die Gut- und Schlechtmenge errechnen lässt. Die Ermittlung der QS-Kennzahl pro Warenlieferung kann dem „Handbuch Einkauf – Qualitätshandbuch" entnommen werden.
Bei dem Lieferantenbewertungslauf werden alle QS-Kennzahlen der einzelnen Warenlieferungen addiert und anschließend durch die Anzahl der gefundenen Warenlieferungen dividiert.
Die QS-Kennzahl pro Lieferantenartikel stellt somit eine durchschnittliche QS-Kennzahl aller relevanten Warenlieferungen dar.

Beispiel für die Ableitung der QS-Kennzahl pro Lieferantenartikel
Es werden folgende QS-Kennzahlen pro Warenlieferung gefunden:

  1. QS-Kennzahl = 70,00
  2. QS-Kennzahl = 85,92
  3. QS-Kennzahl = 75,02
  4. QS-Kennzahl = 70,00
  5. QS-Kennzahl = 60,45

Die QS-Kennzahl für diesen Lieferantenartikel lässt sich also wie folgt berechnen:
QS-Kennzahl= ( 70,00 + 85,92 + 75,02 + 70,00 + 60,45 ) / 5 = 72,28

Lieferservice

Dieses Kriterium verdichtet die 2 Einzelbestandteile, Lieferzeitindex und Lieferverzugsindex. Über Vorlauf ist steuerbar zu wie viel Prozent die Einzelbestandteile in den Lieferservice einfließen sollen (Parameter 05 und 06 der VRLE30).
Die Lieferzeit wird in diesem Dokument synonym zur Wiederbeschaffungszeit verwendet.

Durchschnittliche Lieferzeit pro Lieferantenartikel

Die Bereitstellung dieser Information wird auf Bestellpositionsebene geführt.
Im Lieferantenartikelstamm ist die Möglichkeit gegeben, eine durchschnittliche Wiederschaffungszeit in Tagen zu hinterlegen. Wird dort eine Zeit hinterlegt, so wird bei der Erfassung einer Bestellposition diese Zeit als Lieferzeit herangezogen, sofern die Differenz zwischen voraussichtlichem Lieferdatum und dem Bestelldatum nicht kleiner ist. Ist die Differenz kleiner, so wird diese als Lieferzeit angesehen.
Ist im Lieferantenartikelstamm keine Wiederbeschaffungszeit hinterlegt, so wird bei Erfassung einer Bestellposition die oben genannte Differenz als Lieferzeit berücksichtigt.
Die Wiederbeschaffungszeit kann in der Bestellposition manuell geändert werden.
Bei der Ableitung der durchschnittlichen Lieferzeit pro Lieferantenartikel, werden die Wiederbeschaffungszeiten aller für den Betrachtungszeitraum in Frage kommenden Bestellpositionen berücksichtigt und durchschnittlich geglättet.
Die Berücksichtigung des Auswertungszeitraumes hängt von Parameter "17" der Tabelle VRL E30 ab. Ausprägung "J" bedeutet, dass auch der Initialvorgang ( im allgemeinen die Bestellung) im Auswertungszeitraum liegen muss; "N" bedeutet , dass auch Wareneingänge berücksichtigt werden deren Bestellung vor dem Auswertungszeitraum liegt!
Durch einen Vergleich zwischen der hier abgeleiteten Lieferzeit und der niedrigsten Lieferzeit von anderen Lieferantenartikeln kann der Lieferzeitindex bestimmt werden.
Die niedrigste Lieferzeit erhält als Lieferzeitindex 100,00 Punkte.
Formel für die Ableitung des Lieferzeitindexes:



Beispiel für die Ableitung des Lieferzeitindexes
Als niedrigste Lieferzeit, die ein Lieferant für den zu betrachtenden Artikel benötigt, wurden 4 Tage festgestellt.
Die zu bewertende Lieferzeit eines anderen Lieferantenartikels beträgt 5 Tage.
Hieraus ergibt sich der Lieferzeitindex von
4 / 5 * 100 = 80,00

Durchschnittliche Lieferverzug pro Lieferantenartikel

Der Lieferverzug lässt sich aus der Differenz zwischen tatsächlichem Lieferdatum und voraussichtlichem Lieferdatum errechnen.
Bei der Herleitung des durchschnittlichen Lieferverzugs pro Lieferantenartikel, werden jedoch nur abgeschlossene Bestellungen betrachtet.
Über Parameter 12 der VRLE30 wird gesteuert, ob vorzeitige Lieferungen, verspätete Lieferungen oder beide Varianten bei der Ermittlung des durchschnittlichen Lieferverzugs betrachtet werden.
Bei der Ableitung des Lieferverzugsindexes geht der Lieferverzug einer jeden Warenlieferung mengen- und verzugsdauergewichtet in den Lieferverzugsindex ein.
Die Verzugsdauergewichtung bestimmen die Tabellen FRDLVP und FRDLVN. Die FRDLVP hält Informationen zur Bestimmung der Verzugsdauergewichtung für verspätete Lieferungen bereit. Die FRDLVN hält Informationen zur Bestimmung der Verzugsdauergewichtung für vorzeitige Lieferungen bereit.
Formel für die Ableitung des Lieferverzugsindexes:



Beispiel für die Ableitung des Lieferverzugsindex

Voraussetzung:

Es werden lediglich verspätete Lieferungen berücksichtigt.


Als Verzugsdauergewichtungen sind folgende Informationen in der FRDLVP hinterlegt:


ab einem Tag: 99,00 %
ab fünf Tagen: 95,00 %
Warenlieferung 1:5 ST ( 3 Tage zu spät)
Warenlieferung 2:8 ST ( 5 Tage zu spät)
Als Lieferverzugsindex ergibt sich:
(( 5 * 99,00 ) + ( 8 * 95,00 )) / 13 = 96,54

Berücksichtigung Anzahl Lieferungen

Die Daten auf Lieferantenebene werden aus den Bewertungen pro Lieferantenartikel ermittelt. Über einen Parameter der Tabelle VRLE30 kann man steuern, ob die Daten der Lieferantenartikel gleich gewichtet werden oder ob noch die Anzahl Lieferungen pro Lieferantenartikel mit einfließt.


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