Allgemeines
Neben der reinen Bestandsführung kommt der Bewertung dieser physischen Lagerbestände eine besondere Bedeutung zu.
Über die beiden Größen "Bestand" und "Bestandswert" leitet sich der (neue) Durchschnittspreis ab. Neben dem neuen (aktuellen) Durchschnittspreis wird auch noch der alte Durchschnittspreis im System gehalten. Beide Durchschnittspreisfelder werden während der Verbuchung unter Berücksichtigung der im Artikelstamm hinterlegten Preisdimension gepflegt, wenn der betroffene Artikel Bestandsführung aufweist und laut Buchungsschlüssel der physische Bestand zu buchen ist.
Der alte Durchschnittspreis wird gegebenenfalls mit dem vor der Buchung geltenden aktuellen Durchschnittspreis überschrieben. Der neue Durchschnittspreis wird immer dann aktualisiert, wenn der Bestand und der Bestandswert nach der Verbuchung beide größer als Null sind. In dieser Weise ist sichergestellt, dass stets ein Durchschnittspreis größer als Null berechnet wird. Via Parameter 02 der VRLU29 kann diese Funktionsweise derart abgeändert werden, dass der Durchschnittspreis immer dann schon aktualisiert wird, wenn der Bestand positiv und der Bestandswert größer gleich Null ist. Hierdurch wären dann auch errechnete Durchschnittspreise von Null möglich.
Im Hinblick auf Rundungsprobleme sei an dieser Stelle noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass immer der Durchschnittspreis aus dem Bestand und seinem Bestandswert ermittelt wird (und nicht anders herum Bestand und Durchschnittspreis den Bestandswert festschreiben).
Gleitende permanente Wertfortschreibung
Jede Bestandsveränderung führt im Prinzip gleichzeitig zu einer Bestandswertveränderung in folgender Weise:
Wert_neu := Wert_alt +/- Buchungswert.
Der Buchungswert ist der Wert, der dem Lagerzu- bzw. abgang zugesprochen ist. Der Buchungswert kann aus den einzelnen Anwendungen heraus mitgegeben sein (z.B. Bestellpreis unter Berücksichtigung von Zu und Abschlägen) oder auch unabhängig hiervon von dem zentralen Verbuchungsprogramm bestimmt werden.
Letztlich bestimmt die beim Buchungsschlüssel hinterlegte Vorgabe, wie der Buchungswert ermittelt wird. Ist dort hinterlegt, dass der ‚Preis änderbar' ist, wird auf der Grundlage des aus der Anwendung mitgegebenen Preises bzw. Wertes der Buchungswert festgestellt. Ist nur eine der beiden Angaben vorhanden, wird die andere mit Hilfe der Buchungsmenge errechnet.
Ist hingegen keine der beiden Angaben aus der Anwendung heraus eingestellt worden oder ist laut Buchungsschlüssel der Preis nicht änderbar, wird der Bewertungspreis und damit der Buchungswert auf der Basis eines ebenfalls beim Buchungsschlüssel hinterlegten Preisfeldindexes ermittelt. Der Preisfeldindex bestimmt eines der 14 in Tabelle FRD405 aufgeführten Preisfelder; der zur Bewertung heranzuziehende Preis ist derjenige Wert, der sich gerade in diesem Moment der Verbuchung in dem entsprechenden Preisfeld befindet.
Die hier beschriebene Bewertungspreisfindung erfährt durch die Firmenparameter ‚Lagerortbewertung' und ‚Chargenbewertung zum Einstandspreis' eine weitere Verfeinerung, da Mengen, Preise und Werte auf den verschiedensten Ebenen der Lagerbestandsführungshierarchie geführt werden. Folgende Preisfelder sind auch auf Lagerort- bzw. Chargenebene vorhanden:
- Neuer Durchschnittspreis
- Alter Durchschnittspreis
- Niedrigster Einkaufspreis
- Höchster Einkaufspreis
- Letzter Einkaufspreis.
Da es gegebenenfalls zu einem Preisfeldindex mehrere Werte geben kann, wird im Folgenden die Vorgehensweise erläutert:
Bei einem nicht-chargenpflichtigen Artikel
Lagerortbewertung
Ja | Nein | |
---|---|---|
Lagerortartikelstamm | 1 | |
Artikelstamm | 2 | 1 |
Lagerortartikelstamm DuPreis | 3 | |
Artikelstamm DuPreis | 4 | 2 |
Bewertungsebene | Lagerortartikelstamm | Artikelstamm |
Bei Lagerortbewertung wird also zunächst geschaut, ob das Preisfeld auf Lagerortartikelebene überhaupt vorhanden ist. Wenn dies nicht der Fall ist oder aber kein positiver Wert enthalten ist, geht es mit der nächsten Stufe, der Artikelstammebene weiter. Wird auch hier kein positiver Preis gefunden, erfolgt ein weiterer Zugriff mit dem neuen Durchschnittspreis zunächst auf Lagerortartikelebene, wenn nötig auch noch auf Artikelstammebene.
Bei einem chargenpflichtigen Artikel
Lagerortbewertung/Chargeneinstandsbewertung
Nein/Nein | Nein/Ja | Ja/Nein | Ja/Ja | |
---|---|---|---|---|
Ch/Lagerortartikelst. | 1 | |||
Chargenstamm | 1 | 2 | ||
Lagerortartikelstamm | 1 | 3 | ||
Artikelstamm | 1 | 2 | 2 | 4 |
Lagerortartikelst. Dpr | 3 | 5 | ||
Artikelstamm Dpr | 2 | 3 | 4 | 6 |
Bewertungsebene | T.stamm | Ch.stamm | L.artikelstamm | Ch/L.artikelst |
Bei der Bewertungspreisfindung wird also versucht, auf der feinstmöglichen Bewertungsstufe einen Preis zu finden. Gelingt dies nicht auf einer Stufe, wird es gemäß obiger Tafel mit demselben Preisfeldindex auf der nächsten Stufe versucht. Wird auch hierbei kein positiver Preis gefunden, erfolgen weitere Versuche mit dem neuen Durchschnittspreis.
Eine Besonderheit gibt es im Hinblick auf die Preisdimensionen "8" und "9". Preisdimension "9" bedeutet "kostenlos", da ein Preis noch nicht bekannt ist, während Preisdimension "8" tatsächlich umsonst meint. Bei Preisdimension "8" wird in jedem Fall ein Buchungspreis und -wert von Null angenommen, im Fall von Preisdimension "9" bestimmt das Buchungsprogramm den Buchungswert in beschriebener Weise.
Abgangsbuchungen, die z.B. aus Entnahmen für Kundenaufträge oder für den Produktionsprozess resultieren, sollten immer mit dem aktuellen Durchschnittspreis bewertet werden, da solche Abgangsbuchungen den Durchschnittspreis nicht verändern sollten. Dafür ist darauf zu achten, dass bei den entsprechenden Buchungsschlüsseln der Parameter "Preis änderbar" auf "Nein" und der Preisfeldindex auf "04" für den Durchschnittspreis stehen.
Anders ist es hingegen bei Abgängen, die sich aus Löschaktionen oder Storni von Warenzugängen ergeben. Hier sollte der Abgang auch wieder mit dem Wert gebucht wird, zu dem er zugegangen war. Hierzu hat der Parameter im Buchungsschlüssel "Preis änderbar" die spezielle Ausprägung "0": Sie sorgt dafür, dass in jedem Fall mit dem übergebenen Buchungswert bewertet wird, auch wenn dieser Null sein sollte.
Bedingt durch Rundungsfehler, aber auch durch Wertkorrekturen, die sich auf zurückliegende Vorgänge beziehen, kann es zu Situationen kommen, in denen die Bestands- und Wertfortschreibung zu einem inkonsistenten Zustand führt. Diese erkennt das System und führt automatisch eine Neubewertung durch. Die Differenz, die sich aus der Wertfortschreibung einerseits und der Neubewertung des Bestandes andererseits ergibt, wird durch eine so genannte KO-Buchung im Artikelkonto protokolliert, so dass die materialwirtschaftliche Korrektur auch im Rechnungswesen nachgezogen werden kann.
Die folgenden Fälle führen zu KO-Buchungen:
- Inkonsistenzen zwischen Bestand und Wert
- Bestand_neu > 0 und Wert_neu < 0
- Bestand_neu < 0 und Wert_neu > 0
- Bestand_neu = 0 und Wert_neu <> 0
- Zugang führt aus negativem Bestand heraus
- Zugangsbuchung (nicht: Abgangsbuchung mit negativer Menge) und Bestand_alt < 0 und Bestand_neu>= 0.
Die Neubewertung erfolgt im ersten Fall bei einer Zugangsbuchung mit dem Bewertungspreis, dessen Ermittlung oben ausführlich beschrieben ist. Bei einer Abgangsbuchung hingegen wird der Preis der letzten Lieferung herangezogen. Nur wenn der jeweilige Preis nicht positiv sein sollte, dann wird die Neubewertung mit dem aktuellen Durchschnittspreis durchgeführt. Analog im zweiten Fall: da es sich hier um eine Zugangsbuchung handelt, wird mit dem zuvor ermittelten Bewertungspreis und in zweiter Linie mit dem neuen beziehungsweise mit dem alten Durchschnittspreis gearbeitet.
Wichtig für den Anstoß zur Neubewertung des gesamten Bestandes eines Artikelss ist die Bewertungsebene, die sich aus den Firmenparametern zur Lagerortbewertung und Chargeneinstandspreisbewertung und der Chargenpflicht eines Artikels ergibt und den obigen Tafeln zu entnehmen ist. Nur wenn die oben aufgeführten Sonderfälle auf der entsprechenden Bewertungsebene auftreten, führt dies zu einer Neubewertung.
Durchschnittspreisbildung und -kontrolle
Der Durchschnittspreis ergibt sich aus den in gleitende permanente Wertfortschreibung aufgeführten Sonderfällen aus dem zugrunde gelegten Neubewertungspreis; andernfalls wird er, wie oben beschrieben, aus den Größen Wert_neu und Bestand_neu unter Berücksichtigung der Preisdimension errechnet, wenn beide positiv sind bezie hungsweise Bestand_neu größer als Null und Wert_neu größer gleich Null ist (vgl. Parameter „Durchschnittspreis = 0 möglich" der VRLU29).
Insbesondere kann eine gewünschte Veränderung des Durchschnittspreises nur auf dem Weg einer Korrekturbuchung erzielt werden, durch die der vorhandene Lagerbestand unverändert bleibt, sein Wert hingegen nach oben oder unten korrigiert wird, woraus sich der Durchschnittspreis entsprechend ableitet. Solche manuellen Korrekturbuchungen können über das Lagerbuchungsprogramm mit speziellen Wertkorrekturbuchungsschlüsseln abgesetzt werden.
Komfortabler geht es über das Programm Lagerbestandsbewertungen verwalten (LB21600), mit dem ein neuer Lagerwert, ein neuer Durchschnittspreis oder eine prozentuale Änderung des Lagerwertes vorgegeben werden kann. Die Vorgabe wird intern dann als Wertkorrekturbuchung durchgeführt, wobei der entsprechende Wertkorrekturbuchungsschlüssel aus der Tabelle VRLL39 herangezogen wird. Gegebenenfalls wird der Durchschnittspreis auch direkt geändert; das hängt von der speziellen Datenkonstellation ab.
Eine Kontrolle der Durchschnittspreise im laufenden Betrieb kann über den Parameter „Auffällige Durch schnitts preise protokollieren" der VRLU29 grundsätzlich freigeschaltet werden. Zusätzlich ist aber noch im Artikelstamm der Parameter „Durchschnittspreiskontrolle beim Buchen" adäquat anzuhaken. Die Bedienerhilfe zu diesem Parameter gibt hier nähere Auskunft. Wenn die Vorgaben entsprechend sind, wird bei jeder Buchung geprüft wird, ob sich der Durchschnittspreis dabei „relevant" ändert. Sollte diese Relevanz gegeben sein, wird der Fall in den Arbeitsvorrat gestellt, der mit dem schon erwähnten Programm Lagerbestandsbewertungen verwalten (LB21600) bearbeitet werden kann.
Eine relevante Durchschnittspreisänderung bestimmt sich durch die Vorgaben, die alle in der Artikelgruppe hinterlegt sind, welcher der Artikel angehört. Zum einen geht es immer um die Abweichung zu dem bisherigen Durchschnittspreis, zum anderen kann es zusätzlich eine Prüfung gegen einen Referenzpreis geben: In der Artikelgruppe kann in Abhängigkeit der Beschaffungsart (Fremdbezug, Eigenfertigung beziehungsweise interner Werksbezug) ein Preisfeldindex (z.B. „07" für die Herstellkosten oder „14" für den Verrechnungspreis) hinterlegt werden, gegen den der neue Durchschnittspreis zusätzlich verglichen wird, wenn denn hier etwas hinterlegt ist. Generell gilt, dass eine Abweichung dann relevant ist und zu einem auffälligen Durchschnittspreis führt, wenn die relative Abweichung größer oder gleich der in der Artikelgruppe hinterlegten Mindestabweichung in Prozent ausfällt.