Wesentlich ist die Kenntnis einiger grundlegender Begriffe.
Auftragsnetz vs. Lieferterminsimulation
Auftragsnetz
Das Auftragsnetz (kurz: AN) zu einem Primärbedarfsverursacher (z. B. Verkaufsposition, Projektposition, Fertigungsauftrag) wird dynamisch aufgebaut. Hierzu werden alle Fertigungsaufträge, Fertigungsvorschläge (Planfertigungsaufträge), Bestellungen, Bestellvorschläge die im Zusammenhang mit dem Primärbedarf stehen ausgewertet und in Form einer Fertigungsstruktur mit ihren Verfügbarkeitsdaten angezeigt.
Dieses akut aufgelöste Auftragsnetz ist jedoch noch keine verzugsfrei gerechnete neue Lieferterminsimulation, sondern eine Momentaufnahme der aktuell laut Disposition verfügbaren Relationen von Angebot und Nachfrage und würde in der Strukturdarstellung zwar einen evtl. vorhandenen Verzug ausweisen jedoch keinen neuen machbaren Termin berechnen. AN können aus dem Auskunftssystem Produktion (US30400) über den Primärbedarfsverursacher oder zur Materialposition im Verkaufsauftrag oder auch über "Senden an" bzw. im Projekt auch zu einer Projektposition aufgerufen werden. Es gibt firmenspezifische Konstellationen in denen die Informationen, die eine Auftragsnetzauflösung liefert, völlig ausreichen.
Damit der Algorithmus zur Berechnung der Fertigungsstruktur die jeweils relevanten Nachfrage und Angebotsrelationen auch bei dynamisch disponierten Artikeln finden kann, ist die Aktivierung der Bedarfsdeckerdatei elementar wichtig. (siehe Kapitel Bedarfsdeckerdatei). Die Vorteile die die dynamische Disposition im Hinblick auf wirtschaftliche Losgrößen und periodengerechtes zusammenfassen bietet, können in gewissen Konstellationen zu Einschränkungen bei der Berechnung der Auftragsnetze führen (siehe auch "Besonderheiten")
Lieferterminsimulation
Lieferterminsimulation mit konkretem Verursacher (echter Beleg)
Die Lieferterminsimulation (kurz: LTS) hat die Aufgabe einen vorgegebenen Wunschtermin mit seiner Wunschmenge unter Berücksichtigung der freien verfügbaren Ressourcen auf seine Machbarkeit zu prüfen und bei negativem Ergebnis einen neuen machbaren Termin zu benennen. Evtl. auch die Wunschmenge zu splitten und diese mit einem weiteren Resttermin auszuweisen oder auch einen neuen machbaren Termin zu berechnen.
Die Prüfung auf die Machbarkeit des gewünschten Termins und der Menge und die Berechnung neuer Ergebnisdaten erfolgt in iterativen Auftragsnetzauflösungen mit jeweiligen Optimierungen bei den in der Struktur enthaltenen Planfertigungsaufträgen. LTS können an die Freigabe oder Sperre einer VKS-Position (AB-Druck) gekoppelt werden.
Lieferterminsimulation ohne konkrete Verursacher (fiktiver Beleg)
Das Programm PW25000 (Lieferterminsimulationen verwalten) bietet neben den bisher genannten Funktionen auch die Möglichkeit den frühestmöglichen Liefertermin zu einer Artikelnummer, Menge und Datum, auf Basis einer fiktiven Referenzauftragsnummer zu berechnen.
D. h. eine "reine" oder „manuelle" Lieferterminsimulation durchzuführen.
Aus Anlass einer Kundenanfrage möchte man Auskunft geben, wie sich die Liefersituation mit den aktuell verfügbaren Ressourcendaten darstellt. Nach der Berechnung des Liefertermins werden die für die Berechnung generierten Vorschläge automatisch wieder gelöscht.
Permanente Planung
Grundlage für die Auftragsnetzterminierung ist die sogenannte permanente Planung (abgebildet durch den Asynchronjob ASY_PERM). Die permanente Planung für die Produktion und Disposition basiert auf der Abarbeitung von sogenannten Planungsereignissen. Verschiedene Prozesse schreiben Planungsereignisse in die Datei der permanenten Planung (UPERMP). Das Verarbeitungsprogramm US50401 (ASY_PERM) arbeitet diese in einer festgelegten Reihenfolge (ggf. auch parallelisiert) ab. Hierbei werden Prüfungen und Verarbeitungen ausgeführt und ggf. weitere Planungsereignisse abgesetzt.
Die Abarbeitung kann wahlweise mandantenübergreifend über die Verarbeitungspriorität erfolgen oder je Mandant nach Verarbeitungspriorität gesteuert über die Tabelle VRLU63 (Vorlaufdaten für permanente Neuplanung/Netzterminierung). Mit der zweiten Option hat die kleinste Mandantennummer die höchste Priorität.
Jedem Planungsereignis ist über die Tabelle FRD816 (Planungsereignisse für die permanente Planung) eine Verarbeitungspriorität zugeordnet.
Bei den Dispositionsplanungsereignissen NA (Neuaufbau) und NC (Netchange oder Bedarfsrechnung) erfolgt zusätzlich eine Untersortierung nach aufsteigender Dispositionsstufe.
Neu eingestellte Planungsereignisse können sich demnach vor, zwischen oder nach den zur Verarbeitung anstehenden Planungsereignissen einordnen.
Über die Tabelle FRD815 (Dispofeldabhängige Aktionen) kann man zudem die Ausführung bestimmter Planungsereignisse komplett sperren oder zeitlich einschränken. Dies sollte aber nur in absoluten Ausnahmefällen und dem erforderlichen Hintergrundwissen getan werden.
Über die Tabelle FRD815 (Dispofeldabhängige Aktionen) wird je Referenzfeldname hinterlegt, welches Planungsereignis (NA, NC, PN, SL) zur Verarbeitung eingestellt wird, wenn in den Dispo-Stammdaten Änderungen vorgenommen wurden.
Grundsätzlich sind für die Auftragsnetzterminierung folgende Planungsereignisse von Bedeutung:
Planungsereignis | Beschreibung |
---|---|
BU | Materialbuchungssatz (UMATBP) über ASY_PERM verarbeiten |
EP | Fertigungsauftrag einplanen |
LT | Lieferterminsimulation |
NA | Neuaufbau Disposition zu einem Artikel/Lagergruppe |
NC | Netchange Disposition zu einem Artikel/Lagergruppe |
VL | Vorschläge für einen Primärverursacher löschen |
VN | Verfügbarkeitsermittlung Auftragsnetz |
VO | Planauftrag erstellen |
Bedarfsdeckerdatei
Die Bedarfsdeckerdatei (DZUNAP) ist eine optionale Ergänzung zur Dispositionsdatei, in der eine Zuordnung von Nachfragen zu Angeboten vorgenommen wird.
Über die Bedarfsdeckerdatei wird also ersichtlich, welche konkrete Nachfrage durch welches konkrete Angebot und entsprechendem Termin gedeckt wird.
Da in einer funktionierenden Disposition sich akut ergebende Unterdeckungen stets durch einen Dispositionsbestand, echte und/oder vorläufige Beschaffungsmaßnahmen ausgeglichen werden, muss also jeder Nachfrage im Rahmen des disponierten Zeitrahmens ein Angebot zugeordnet sein.
Umgekehrt kann es aber durchaus sein, dass ein Angebot in der Bedarfsdeckerdatei steht, das (noch) keiner Nachfrage zugeordnet ist.
Konkret stehen in der Bedarfsdeckerdatei für einen Artikel und Lagergruppe sämtliche Nachfragen mit ihrem Bedarfsdatum und den zugeordneten Angeboten mit ihrem Dispositionsdatum und der Menge, die der Nachfrage zugeteilt ist.
Die Auftragsnetzterminierung bedient sich aus den Zuordnungen der Bedarfsdeckerdatei.
Ob die Bedarfsdeckerdatei auch für "dynamisch" disponierte Artikel beachtet wird, kann je Artikel und Lagergruppe über den zugeordneten Dispositionsschlüssel (Tabelle FRD482) gesteuert werden.
In der Tabelle kann für jeden relevanten Dispositionsschlüssel festgelegt werden, ob parallel zur Dispositionsdatei auch die Bedarfsdeckerdatei gepflegt werden soll. Für die Auftragsnetzterminierung ist bei enthaltenen dynamisch disponierten Artikeln der Parameter "Bedarfsdeckerdatei pflegen" demnach zwingend anzuhaken!
Komponenten, die weder diskret einzelgeplant sind noch in der Bedarfsdeckerdatei geführt werden, werden in der Auftragsnetzterminierung bei fehlendem Lagerbestand mit dem Ende ihrer Wiederbeschaffungszeit als verfügbar berücksichtigt.
Eine Besonderheit stellt VRLP98 (Vorlauftabelle Auftragsnetz) Par 2 „Erweiterte Angebotsbelegsuche für nicht diskret einzelgeplante Artikel" dar:
Auszug aus Bedienerhilfe VRLP98 (Vorlauftabelle Auftragsnetz) Par 2
Ohne angehakte Option hat man auch ohne Einträge in der Bedarfsdeckerdatei die Möglichkeit, ein Auftragsnetz aufzulösen.
Hierbei wird grundsätzlich die Bedarfsdeckerdatei ignoriert, egal ob passende Eintragungen in der Bedarfsdeckerdatei vorhanden sind oder nicht (FRD482 (Dispositionsschlüssel) Parameter "Bedarfsdeckerdatei pflegen").
Die Auftragsnetzauflösung beachtet dann aber nur diskret einzelgeplante Artikel, plus Artikel, welche in diesem Auflösungszweig direkt darunter angeordnet sind (also Fertigungsstufe + 1).
Einzige Ausnahme ist die Fertigungsstufe 0, hier werden auch Nicht-DEP-Artikel analog DEP-Artikel behandelt.
Bei einem Aufruf aus dem Auskunftssystem Produktion oder zur Materialposition im Verkaufsauftrag oder auch über "Senden an" werden bereits vorhandene Netze zur Auswahl angeboten (Voraussetzung - VRLP98 (Vorlauftabelle Auftragsnetz) Historie AN aktiv), welche in der Regel jedoch nicht mehr aktuell sind. Über einen entsprechenden Funktionsaufruf kann ein neues aktuelles Netz gerechnet werden. Wenn zu diesem Primärverursacher noch kein Netz existiert wird ein Auftragsnetz auf der Basis aktueller Daten automatisch erstellt.
Beim Arbeiten mit Historie VRLP98 (Vorlauftabelle Auftragsnetz) können vorherige Auftragsnetzauflösungen gezielt über die Auswahl der vorhandenen Auflösungsnummern angezeigt werden.
Möchte man ad hoc ein neues Auftragsnetz erstellen, so geht das auch über das Funktionsmenü, wobei auch diese Auftragsnetze keine Lieferterminsimulation darstellen, sondern ebenfalls eine Momentaufnahme der aktuell laut Disposition verfügbaren Relationen von Angebot und Nachfrage sind.